Bericht: „Ihr seid keine Sicherheit“-Demonstration am 8. Mai 2021, Berlin

Am 8. Mai 2021 waren Menschen der Kritischen Demobeobachtung Berlin zusammen mit Menschen der Kritischen Jurist*innen FU Berlin bei der Demonstration „Ihr seid keine Sicherheit“ präsent. An der Demonstration beteiligten sich unserer Schätzung nach ca. 10.000 Menschen. Wir begleiteten die Demonstration mit zwei Teams. Ein Team war an der Spitze der Demonstration, ein Team war im hinteren Drittel.

Insgesamt wurden das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit im Verlauf der Demonstration seitens der Polizei weitgehend gewährleistet. Dennoch kam es zu einigen eklatanten Verstößen der Polizei, vor allem auch bereits im Vorfeld der Demonstration, wie wir im Folgenden dokumentieren.

In ihrer Pressarbeit hat die Polizei schon in den Tagen vor der Demonstration ein abschreckendes Bild gezeichnet. Exemplarisch dafür ist eine Meldung der dpa (z.B. hier: https://www.tagesspiegel.de/berlin/2500-teilnehmer-angemeldet-linksradikale-gruppen-wollen-in-berlin-gegen-polizeigewalt-demonstrieren/27166136.html). In der Meldung wird die Demonstration in unmittelbaren Zusammenhang zu den Ereignissen im Kontext der „Revolutionären 1. Mai“-Demonstration gesetzt und vor möglichen Ausschreitungen wie an diesem Tag gewarnt. Aus diesem Grund wird laut dpa eine Begleitung der Demonstration mit einem großen Polizeiaufgebot angekündigt. Dass in die dpa-Meldung offensichtlich Informationen eingeflossen sind, die von der Polizei stammen (Zitat: „Angemeldet seien 2500 Teilnehmer, hieß es bei der Polizei. Die Polizei wird die Demonstration mit einem größeren Aufgebot begleiten.“), spiegelt für uns das Interesse der Polizei wieder, im Vorfeld ein Bedrohungsszenario, das von der Demonstration ausgeht, zu kreieren. Dies verstößt eklatant gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Es ist gängige Praxis für die Polizei, im Vorfeld von Demonstrationen sogenannte Gefahrenprognosen zu erstellen. Diese dienen der Einsatzplanung und sind zumindest aus polizeilicher Sicht legitim. Wenn diese Gefahrenprognosen aber dazu eingesetzt werden, im Vorfeld der Demonstration auf die politische Meinungsbildung einzuwirken, überschreitet die Polizei ihre Kompetenzen bei weitem. Die Polizei als Organ der Exekutive ist Gewährleisterin des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Damit beginnt und endet ihre Aufgabe. Der politische Diskurs ist eine öffentliche Diskussion, an dem sich verschiedenste Akteur*innen beteiligen können und sollen. Das wichtigste Instrument dafür ist das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Wenn die Polizei als Akteurin auftritt, die medial vermittelt Einfluss auf die öffentliche Debatte nimmt, widerspricht sie eklatant ihrem Aufgabenbereich. Mehr noch: Durch die Erzeugung von Bedrohungsszenarien tritt sie als aktiver Teil der öffentlichen Debatte in Erscheinung, wird politische Akteurin, überschreitet damit bei weitem ihre qua Gesetz geregelte Kompetenz und, was noch schwerer wiegt, wirkt damit aktiv dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit entgegen.

Am Tag der Demonstration war die Polizei wie angekündigt mit einem Großaufgebot präsent. Wir konnten im Verlauf der Demonstration Einheiten der 11., 13., 15., 24., 31., 33., 35., A1, C1 und T1 Einsatzhundertschaft beobachten.

Auf der Auftaktkundgebung am Platz der Luftbrücke waren auch sechs Beamt*innen des polizeilichen Staatsschutz (LKA 52) in zivil, gekennzeichnet mit gelben Westen mit der Aufschrift „Polizei“ präsent. Diese beobachten die Aufstellung des Demonstrationszuges und positionierten sich wie wir in Richtung der Aufzugstrecke. Um 13:30 Uhr löste sich einer der Beamten von seiner Gruppe, zückte sein Smartphone und hielt die Kameras in unsere Richtung. Wir betrachten das Verhalten des Beamten aber als eindeutigen Einschüchterungsversuch gegen uns. Als gekennzeichnete Demonstrationsbeobachter*innen sind wir nicht Teil der Demonstration, sondern beobachten die Einhaltung und Gewährung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit durch die Polizei. Es gab im gesamten Verlauf der Versammlung keinerlei Anlass dafür, Film- oder Bildaufzeichnungen anzufertigen. Damit verstößt das Verhalten des Beamten eindeutig gegen §18 Abs.1 Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin (VersG BE). Es dürfen nur Aufnahmen gemacht werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von Personen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Wenn der Beamte eine Anfertigung von Aufnahmen mit unseren pinken Westen mit der Aufschrift „Observer“ rechtfertigen will, ist das mehr als absurd. Nichtsdestotrotz sind – sollten Aufnahmen gemacht worden sein – diese nach §18 Abs.3 unverzüglich zu löschen. Dies gilt auch für alle weiteren Aufnahmen, sollten welche entstanden sein. Und selbst wenn der Beamte uns richtigerweise nicht als Teil der Versammlung angesehen hat, ist dieses juristisch fragwürdig. Je nach Aufnahme könnten unsere Persönlichkeitsrechte oder unsere Rechte am eigenen Bild verletzt worden sein.

Wir verurteilen deshalb das Verhalten des Beamten aufs Schärfste und fordern, Einschüchterungsversuche zukünftig zu unterlassen! Es wird bei Versuchen bleiben, denn wir betrachten das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit als hohes Gut. Dafür einzutreten werden wir uns auch von offensichtlichem Fehlverhalten einzelner Beamter nicht abschrecken lassen. Außerdem fordern wir den Gesetzgeber auf, hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamt*innen nachzubessern. Im Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) ist die Kennzeichnungspflicht in §5a geregelt. Sie ist dort vor allem für Beamt*innen in Dienstkleidung geregelt. Für Beamt*innen in zivil gibt es dort keine explizite Regelungen. Im oben beschriebenen Fall, aber auch in anderen Fällen, wenn eingesetzte Beamt*innen z.B. des LKA 5 teils aktiv ins Versammlungsgeschehen eingreifen, ist dies problematisch. Wir fordern deshalb eine Nachbesserung in diesem Bereich, die nicht anders lauten kann, als allen Beamt*innen, die potentiell aktiv ins Versammlungsgeschehen eingreifen, gut sichtbare, individuelle Kennzeichnungspflicht wir ihren uniformierten Kolleg*innen vorzuschreiben.

Nachdem die Demonstration ihren Abschlussort Spreewaldplatz erreicht hat, fand dort eine Kundgebung mit mehreren Redebeiträgen und Musikbeiträgen statt. Die Teilnehmer*innenzahl schätzen wir bis zum Ende der Versammlung um 17:10 Uhr im mittleren dreistelligen Bereich. Während der Abschlusskundgebung postierten sich immer mehr Polizeikräfte in unmittelbarer Nähe der Versammlung und vermittelten so ein abschreckendes Bild. Diese Maßnahme ist in keinster Weise durch den Verlauf der Versammlung zu rechtfertigen, vermittelt ein abschreckendes Bild von der Versammlung und für die verbliebenen Teilnehmer*innen und war dementsprechend absolut unverhältnismäßig.

Außerdem durchstreiften einzelne Beamt*innen unmittelbar die Versammlung. Dies ist unzulässig. Versammlungen haben grundsätzlich staatsfern zu sein, es gab keinen Anlass, unmittelbar auf die Versammlung einzuwirken.

Nach Beendigung der Versammlung zerstreuten sich die ehemaligen Teilnehmer*innen. Damit schien für die Polizei der Zeitpunkt gekommen, einen Person durch zwei Beweissicherungs- und Festnahme-Einheiten um 17:13 Uhr vorübergehend in Gewahrsam zu nehmen. Ehemalige Versammlungsteilnehmer*innen begleiteten wie wir die Gewahrsamnahme, die für uns aus unerfindlichen Gründen stattfand. Daraufhin legte die beteiligten Polizist*innen ein äußerst aggressives Verhalten an den Tag. Einzelne von uns, wie auch andere, wurden rüde geschubst und gestoßen und mit gezückten Pfefferspraykanistern bedroht. Einzelne von uns verspürten Augenreizungen, was im Verlauf der Geschehnisse auf Pfeffersprayeinsatz schließen lässt. Außerdem wurde die Maßnahme von filmenden Beamt*innen begleitet. Wir verstehen den Einsatz und die Art und Weise, wie er durchgeführt wurde, als Provokation der Polizei mit dem Ziel, Bilder zu erzeugen, die sie im Vorfeld der Demonstration medial verbreitet hat und verurteilen ihn aufs Schärfste.

Bericht zur „Revolutionären 1. Mai“-Demonstration 2021 in Berlin

Im Folgenden berichten wir über unsere Beobachtungen während der Demonstration und zur Auflösung der Versammlung. An den Beobachtungen waren Menschen der Kritischen Demobeobachtung Berlin und der Kritischen Jurist*innen FU beteiligt. Der Bericht wurde von uns gemeinsam geschrieben.

Dem Bericht stellen wir einen kurzen Kommentar zur Versammlungsfreiheit an diesem Tag mit Fokus auf die Allgemeinverfügung der Polizei für den Bereich des ehemaligen MyFests in Kreuzberg rund um die Oranienstraße voran und schließen den Bericht mit einem Statement unsererseits, in dem wir auf die polizeilichen Maßnahmen und die mediale Nachbereitung der Ereignisse des Tages aus der Perspektive des Grundrechts für Versammlungsfreiheit eingehen.

Zur Allgemeinverfügung der Polizei das Gebiet des ehemaligen MyFest betreffend

Am 28.04.2021 veröffentlichte die Polizei per Pressemitteilung (https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2021/pressemitteilung.1079781.php), dass der Gemeingebrauch von öffentlichen Flächen in einem begrenzten Bereich in Friedrichshain-Kreuzberg in der Zeit von Samstag, 1. Mai 2021, 6 Uhr bis Sonntag, 2. Mai 2021, 6 Uhr eingeschränkt sei. Der Bereich umfasst grob das Gebiet des ehemaligen MyFest. In diesem Bereich war das Mitführen von Getränkeflaschen und -dosen mit Ausnahme von PET-Flaschen bis 0,5 Liter, auch von außen in diesen Bereich hinein, untersagt. In Folge dessen wurde das genannte Gebiet mit Absperrgittern (ASG) umzäunt und der Zugang zu dem Gebiet von Polizeikräften überwacht. Begründet wurde diese Maßnahme „anlässlich mehrerer angezeigter Versammlungen.“

Wir kritisieren diese Maßnahme aufs Schärfste! Zu ihrer Begründung wurde das Abhalten mehrerer Versammlungen herangezogen, neben der „Revolutionären 1. Mai“-Demonstration waren im Gebiet der Allgemeinverfügung je eine Kundgebung am Lausitzer Platz und auf dem Mariannenplatz angemeldet. Versammlungsfreiheit ist ein hohes Rechtsgut, die Aufgabe der Polizei ist es, dieses zu gewähren. Mit dem Erlass der Allgemeinverfügung und deren Umsetzung durch weiträumige Absperrungen des Gebietes mit ASG wurde die ungehinderte Teilnahme an der Versammlungen im Bereich der Allgemeinverfügung verhindert, Menschen von der Teilnahme an den Versammlungen abgeschreckt. Außerdem ist es in Hinblick auf die in dem Gebiet stattfindenen Versammlungen unnötig, ein weiträumiges Getränkeflaschen- und -dosenverbot zu erlassen. In der Regel sind in Berlin das Mitführen von Glasflaschen auf Versammlungen in Berlin per Auflagenbescheid für die jeweiligen Versammlungen verboten. Eine Ausweitung dieses Verbots auf Getränkeflaschen über 0,5 Liter ist absurd und außerdem unverantwortlich. Teilnehmer*innen von Versammlungen mit mehrstündiger Dauer muss die Möglichkeit eingeräumt werden, genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. 0,5 Liter sind dafür nicht ausreichend.

Das Verbot des Mitführens von Getränkeflaschen und -dosen diente bereits im Vorfeld dazu, implizit ein Bild zu erzeugen, dass an dem Tag mit Ausschreitungen durch die Versammlungen zu rechnen sei. Dies stellt eine politische Einflussnahme der Polizei auf die öffentliche Debatte dar. Indem sie die Allgemeinverfügung damit begründet, dass Versammlungen stattfinden, wird ein implizites Bild davon erzeugt, dass diese Versammlungen einen gewalttätigen Verlauf nehmen könnten. Damit werden Menschen von der Teilnahme an diesen Versammlungen abgeschreckt und dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eklatant entgegengewirkt. Während in den vergangenen Jahren das MyFest als angemeldete Versammlungen in dem Gebiet stattfand und dieses wie im letzten Jahr pandemiebedingt ausfallen musste, entsteht für uns der Eindruck, dass die Allgemeinverfügung der Polizei dieses Jahr die Aufgabe des ehemaligen MyFests erfüllen sollte. Damit überschreitet die Berliner Polizei bei weitem ihre Kompetenzen. Die Polizei ist keine politische Akteurin. Als Teil der Exekutive, die für die Durchsetzung des Gewaltmonopols des Staates sorgen soll, hat sie nicht die Aufgabe, als politische Akteurin zu agieren und per Allgemeinverfügung nicht stattfindende Versammlungen zu ersetzen.

Bericht zur Demonstration

Wir waren ab ca. 17:30 Uhr auf der „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ am Hermannplatz mit zwei Teams, bestehend aus Menschen der Kritischen Demobeobachtung Berlin und der Kritischen Jurist*innen FU Berlin, präsent. An der Demonstration beteiligten sich ca. 25.000 Menschen. Die Demonstration, die über die Karl-Marx-Straße, Sonnenallee, Wiener Straße, Oranienstraße bis zum Oranienplatz ziehen sollte, wurde auf der Sonnenallee ca. Höhe Weichselstraße vorzeitig beendet. Eines unserer Teams beobachtete den Verlauf des Versammlungsgeschehens an der Spitze der Demonstration, das zweite Team befand sich an deren Ende. Aufgrund der Größe der Demonstration fließen zur Komplettierung unseres Berichts auch Medienberichte und Informationen aus Social Media Kanälen ein.

Um ca. 17:30 Uhr näherten wir uns dem dem Startpunkt der Demonstration, auf dem zu dem Zeitpunkt noch eine Kundgebung stattfand, aus Richtung Kottbusser Tor kommend. Bereits an der Ecke Kottbusser Damm / Sonnenallee war für uns ersichtlich, dass sich mehrere tausend Menschen versammelt hatten, der Antreteplatz gut gefüllt war und es schwierig werden würde, die laut Infektionsschutzgesetz vorgeschriebenen Abstände einzuhalten, vor allem auch, weil immer mehr Menschen Richtung Antreteplatz strömten. Gleichzeitig mussten wir feststellen, dass der Verkehr auf der Sonnenalle Richtung Hermannplatz noch lief. Dies stellte eine unmittelbare Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Demonstrationsteilnehmenden dar. Zum einen, weil wegen des Zustroms von immer mehr Menschen auf den Hermannplatz deren Gefährdung durch den fließenden Verkehr nicht ausgeschlossen werden konnte, zum anderen weil es immer schwieriger wurde, Abstände einzuhalten. Die Polizei war mit genügend Kräften vertreten, um dafür zu sorgen, den Verkehr weiträumig um den Hermannplatz umzuleiten. Insbesondere die Öffnung des Kottbusser Damms für die Versammlungsteilnehmenden hätte die Einhaltung des Mindestabstands gewährleisten können. Es ist für uns unverständlich, weshalb dies von Seiten der Einsatzführung nicht gemacht wurde. Das Grundrecht auf Versammlungfreiheit ist ein höheres Rechtsgut als die Straßenverkehrsordnung, weshalb der Verkehr zu diesem Zeitpunkt weiträumig um die Hermannplatz zugunsten der Kundgebung hätte eingeschränkt werden müssen. Nicht zuletzt allein deshalb, um die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmenden zu gewährleisten. Insofern handelte die Einsatzführung zu diesem Zeitpunkt bereits unverantwortlich.

Wie wir später Medienberichten entnehmen konnten, wurde ca. zu diesem Zeitpunkt die aus dem Grunewald kommenden Fahrraddemonstration auf Höhe der Boddinstraße vorzeitig durch die Polizei aufgelöst mit der Begründung, es seien bereits zu viele Menschen auf dem Hermannplatz versammelt. Ursprünglicher Endpunkt der Demonstration war die Kundgebung am Herrmannplatz. Angesichts dessen, dass die Polizei wie beschrieben den zur Verfügung stehenden Platz für die Kundgebung nicht erweiterte, ist die vorzeitige Beendigung der Fahrraddemonstration nicht zu rechtfertigen und stellt einen klaren Verstoß gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar.

Ab ca. 17:35 Uhr waren wir in der Karl-Marx-Straße in unmittelbarer Nähe zum Hermannplatz, um den Start der Demonstration zu beobachten. Ab 17:47 Uhr haben wir beobachtet, wie ein dort abgestellter Kamerawagen der Polizei mit dem amtlichen Kennzeichen B-NK 2349 begann, die Kundgebung in Richtung Hermannplatz abzufilmen. Laut dem Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz (VersFG BE) sind Filmaufnahmen nur noch nach erheblicher Gefährdung für die öffentliche Sicherheit erlaubt (§18 Abs. 2 VersFG BE). Diese lag zu dem Zeitpunkt nicht vor. Auch eine eventuelle Begründung mit der Gefährdung der Gesundheit der Versammlungsteilnehmer*innen durch ggf. nicht eingehaltene Abstände ist nicht ausreichend. Denn wie oben beschrieben, hätte es zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit gegeben, die Situation durch die Gewährung von mehr Raum zu entzerren. Auch auf der Karl-Marx-Straße hätte es diese Möglichkeit gegeben. Auch hier wurde zu diesem Zeitpunkt diese Möglichkeit von der Polizei nicht eingeräumt. Das Abfilmen der Kundgebung war damit rechtswidrig.

Um 18:38 Uhr setzte sich die Spitze der Demonstration auf der Karl-Marx-Straße in Bewegung. Vorneweg wurde die Demonstrationen von behelmten Beamt*innen der 11. Einsatzhundertschaft (EHU) und dem filmenden Kamerawagen begleitet. Nach wenigen Minuten stoppte der Frontblock kurz und setzte sich wieder in Bewegung. Mittlerweile wurde die entstandene Lücke von Demonstrierenden geschlossen. Um 19:04 stoppte der Frontblock erneut. Als Begründung für den erneuten Stopp wurde uns mangelnde Verkehrssicherung angegeben. Aus den Seitenstraßen seien Autos auf die Aufzugstrecke gefahren. Wie es dazu kommen konnte, ist uns unverständlich. Aufgabe der Polizei ist es, den reibungslosen Ablauf von Versammlungen und die Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten. Grundlage dafür ist es, den Verkehr zu regeln. Offensichtlich kam die Polizei trotz ausreichender Kräfte vor Ort dieser Aufgabe zu diesem Zeitpunkt nicht nach und riskierte damit die körperlicher Unversehrtheit der Teilnehmenden.

Nach einigen Minuten konnte die Demonstration fortgesetzt werden und erreicht um 19:28 Uhr die Erkstraße. Währenddessen strömten die Menschen vom Hermannplatz auf die Demonstrationsroute, die Demonstration kam immer wieder ins Stocken und staute sich auf. Deshalb war es an manchen Punkten schwierig, Mindestabstände einzuhalten. Grund dafür ist auch die fehlende Verkehrssicherung der Polizei.

Ein weiterer Grund dafür ist eine Engstelle auf der Karl-Marx-Straße auf Höhe der Neukölln-Arcaden. Dort befindet sich eine Großbaustelle, die die Straße an dieser Stelle auf eine Fahrbahn beschränkt und dafür sorgte, dass sich an dieser Stelle ein Rückstau in der Demonstration bildete. Diese Baustelle ist offensichtlich nicht erst kurzfristig errichtet worden. Sie muss der Einsatzleitung bei der Einsatzplanung bekannt gewesen sein. Unser Team im hinteren Teil der Demonstration hat um 19:35 beobachtet, dass aus einer Seitenstraße kommend Lautsprecherdurchsagen gemacht wurden, die zur Einhaltung der Mindestabstände aufforderten. Angesichts der Engstelle auf der Demonstrationsroute war diese Aufforderung absurd, besonders auch, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Demonstrationszug vollständig formiert hatte und hinten begleitende Polizeifahrzeuge und -einheiten eine Entzerrung des Demonstrationszuges unmöglich machten.

Uns ist unverständlich, wie die Demonstration entlang dieser Engstelle führen konnte. Die Polizei trägt die Verantwortung dafür, dass ein reibungsloser Ablauf von Demonstrationen möglich ist. Bei der im Vorfeld angemeldeten Teilnehmer*innenzahl im fünfstelligen Bereich ist anzunehmen, dass es an dieser Stelle zu Stockungen kommt und in der Folge Mindestabstände nicht mehr eingehalten werden können. Deshalb wurden von Seiten der Polizei in den vorangegangenen Jahren bei Großdemonstrationen, die nicht unter Pandemiebedingungen stattfanden, Routenänderungen vorgenommen, um solche Engstellen zu vermeiden. Dies stellt zwar einen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar, wurde aber mehrfach durch gerichtliche Entscheidungen als zulässig bestätigt. Auch und vor allem zu Pandemiezeiten hätte deshalb der Polizei auch für die Route dieser Demonstration diese Instrument zur Verfügung gestanden, nicht zuletzt, um die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmenden zu gewährleisten. Dass sie dieses nicht nutzte, ist fahrlässig.

Um ca. 19:40 Uhr trennte die Polizei den hinteren Teil der Demonstration mittels eine Polizeikette auf Höhe ca. Rathaus Neukölln unmittelbar nach der Baustelle ab. Zu diesem Zeitpunkt war eine hohe Zahl an Polizeikräften an der Seite der Demonstration vor der Baustelle und am Ende der Demonstration aufgezogen. Dieses Maßnahme der Polizei kam für uns überraschend und ohne jeglichen ersichtlichen Anlass. Wie wir später aus den Medien erfahren konnten, erfolgte diese Maßnahme aufgrund von Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Mund-Nase-Bedeckungen seien nicht getragen worden, Abstände seien nicht eingehalten worden. Dem widerspricht deutlich ein Bericht der RBB Abendschau vom gleichen Tag. (vgl. https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20210501_1930.html ab Minute 3)

Wie wir im Nachhinein durch unsere Auswertung der relevanten Social Media Kanäle und Hashtags erfahren haben, fand im mittleren Teil der Demonstration eine weitere ähnliche Maßnahme der Polizei statt. Den genauen Ablauf können wir nicht rekonstruieren. Bei dieser Maßnahme wurde aber der Lautsprecherwagen der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ gestürmt.

Um 19:48 Uhr hat die Spitze der Demonstration auf Höhe der Sonnenallee 71 wegen der stattfindenden Polizeimaßnahmen gestoppt. Die vornweg laufende Kette der 11. EHU hat im Zuge dessen den Abstand zur Demonstration von 50 auf 20 Meter verringert. Aufgrund der nachströmenden Demonstrationsteilnehmenden wurde der Abstand zwischen den Menschen um den Frontblock herum zunehmend enger. Unser Team fragte den Kontaktbeamten, ob die Kette sich ein wenig zurückziehen könne, um das Einhalten der Abstände zu ermöglichen. „Wir schauen mal“ war die Antwort. Ca. 8 Minuten später dann unsere Rückfrage, ob ein größerer Abstand der 11. EHU möglich sei. Die Antwort: „Das geht schon, aber das werden wir aus taktischen Gründen nicht machen.“

Kurz vor 20:30 Uhr setzte sich die Spitze der Demonstration wieder in Bewegung, die Kette der 11. EHU hielt wieder etwas mehr Abstand. Auf der rechten Fahrbahn wurde Höhe Sonnenalle Nr. 51 eine größere Gruppe an Einheiten sichtbar. Die Spitze erreichte die Jansastraße. Die beobachteten Einheiten befanden sich plötzlich im Vollsprint. Die Kette der 11. EHU vor der Demospitze teilte sich in der Mitte und öffnete den Weg für die heransprintenden Einheiten, die mit hoher Geschwindigkeit die Versammlungsteilnehmenden angreifen. Eine Grundlage für diese massive Anwendung unmittelbaren Zwangs war für unser beobachtendes Team zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich. Auch erfolgte keine vorherige Durchsage vonseiten der Polizei. Bis heute konnten wir keinen Äußerungen der Einsatzleitung oder Medienberichten eine Erklärung für den Angriff auf die Demospitze entnehmen.

Unser Team im hinteren Teil der Demonstration versucht währenddessen, den Demonstrationszug über die Fuldastraße zu verlassen. Wegen der Abtrennung des hinteren Teils der Demonstration war es dort eine beklemmende Situation entstanden. Teilnehmende, teils mit Kinderwägen, versuchten die Demonstration zu verlassen, was aber Aufgrund der Enge nur schwerlich möglich war. Die Maßnahme der Polizei hat die Situation an dieser ohnehin kritischen Engstelle weiter verschärft. Nur den besonnenen Reaktionen der Teilnehmenden ist es zu verdanken, dass an dieser Stelle keine Massenpanik entstand. Um 20:26 Uhr mussten wir feststellen, dass der reibungslose Abfluss aus dieser Situation durch Beamt*innen der 31 EHU an der Einmündung der Fuldastraße erschwert wurde. Der Weg dorthin war ohnehin nur über den Fußgängerweg möglich, weil der Rest der Fuldastraße an dieser Stelle ebenso wie die Karl-Marx-Straße Baustelle war. Die Beamt*innen der 31. EHU versperrten den Abfluss von der Demonstration mit einer Kette und ließen erst auf unseren Hinweis hin, dass das jederzeitige Verlassen von Demonstrationen durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gewährleistet ist, Menschen einzeln passieren.

Zusammengefasst ergibt sich für uns ein Bild der Ereignisse, das darauf schließen lässt, dass die Polizei durch mehrere parallel durchgeführte Maßnahmen ab ca. 19:45 Uhr damit begann, die grundrechlich geschützte Versammlung aufzulösen. Es erfolgten Maßnahmen mehr oder weniger zeitgleich im hinteren Drittel der Demonstration sowie in der Mitte. Dies durch Polizeieinheiten, die an neuralgischen Punkten der Demonstrationsroute postiert waren. Zumindest für das letzte Drittel der Demonstration lässt sich begründet vermuten, dass die Baustelle in Höhe der Neukölln-Arcaden als Einsatzmittel zur leichteren Auflösung der Demonstration genutzt wurde. Sonst lässt es sich für uns nicht erklären, weshalb die Route dort entlang führen konnte, vor allem nicht, weil die Polizei alle rechtlichen Mittel in der Hand hatte, um diese zu ändern. Endgültig zerschlagen wurde die Demonstration kurz nach 20:30 Uhr, als Polizeieinheiten den Frontblock stürmten.

Dies geschah alles vor der von der Polizei via Twitter proklamierten Auflösung der Demonstration durch die Demonstrationsleitung um 21:00 Uhr. Selbst nach eigenen Aussagen gibt die Polizei also zu, eine grundrechtlich geschützte Versammlung zerschlagen zu haben und somit auf eklatante Weise gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verstoßen zu haben. Außerdem konnte unser Team im vorderen Teil der Demonstration auch um 21:00 Uhr nicht feststellen, dass die Demonstration zu diesem Zeitpunkt von der Versammlungsleitung aufgelöst gewesen wäre. Nach deren eigenen Angaben via Twitter erfolgte eine Auflösung erst um ca. 21:30 Uhr. Auch zu den Beweggründen der Auflösung weisen die Veranstalter*innen auf verbreitete Falschmeldungen der Polizei hin (vgl. https://1mai.blackblogs.org/?p=1010).

Grundsätzlich hat die Polizei das Recht, Versammlungen bei unfriedlichem Verlauf aufzulösen. Dies muss zum einen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen, zum anderen in einer Weise erfolgen, dass das den ehemaligen Versammlungsteilnehmenden erkennbar sein muss, um sich entfernen zu können. Weder im vorderen noch im hinteren Teil der Demonstration erfolgten Lautsprecherdurchsagen oder andere Kommunikationsversuche. Stattdessen konnten wir während der polizeilichen Auflösung der Demonstration massive Fälle von Polizeigewalt beobachten, die mehrere zum Teil Schwerverletzte zur Folge hatten. Von mindestens zwei Personen wissen wir, dass sie per Rettungswagen ins Krankenhaus zur weiteren Versorgung transportiert werden mussten.

Dies allein wäre schon Grund genug, die Auflösung der Demonstration als unverhältnismäßig einzustufen. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Teilnehmenden wurde durch den Einsatz eklatant verletzt. Der im Nachgang der Demonstration seitens der Verantwortlichen kolportierte Grund für die Auflösung der Demonstration ist, dass sich „der Schwarze Block“ nicht an die Abstandsregeln gehalten habe. Polizeipräsidentin Barbara Slowik äußerte in einem Interview mit dem RBB, dass die Polizei Maßnahmen ergriffen habe, diesen aus der Demonstration zu entfernen, weil sich dieser nicht an die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes gehalten habe. Wir haben oben beschrieben, dass die Polizei maßgeblich verantwortlich dafür ist, dass diese Vorgaben von allen Teilnehmer*innen nur schwerlich, stellenweise überhaupt nicht eingehalten werden konnten. Insofern ist diese Behauptung unlogisch und scheint eine Schutzbehauptung dafür zu sein, die unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkung sowie den brutalen Polizeieinsatz medial zu rechtfertigen.

Nach §16 VersFG BE hat die Polizei das Recht, Personen von der Teilnahme an einer Demonstration zu verweigern oder zu beschränken, wenn von ihr eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Diese war wie beschrieben zu keinem Zeitpunkt gegeben. Nach §16 Abs.2 haben Personen, die ausgeschlossen wurden, sich unverzüglich von der Demonstration zu entfernen. Diese Möglichkeit war zu keinem Zeitpunkt gegeben, weil der Ausschluss – unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit, nie kommuniziert wurde.

Nur am Rande sei noch angemerkt, dass der seitens der Polizei proklamierte Ausschluss des angeblichen „Schwarzen Blocks“ faktisch nicht nachzuvollziehen ist. Die Maßnahmen richteten sich nicht nur gegen einen Teil der Versammlung, den sogenannten „Schwarzen Block“. Die Demonstration wurde zeitgleich an zwei Stellen angegriffen. An einer Stelle wurde ein Lautsprecherwagen gestürmt. Kurz darauf folgte der Angriff auf die Spitze der Demonstration, an der sich kein „Schwarzer Block“ befand.   

Statement – Ein schwarzer Tag für die Versammlungsfreiheit

Wir sind schockiert über die Ereignisse rund um den 1. Mai in Berlin. An diesem Tag hat die Einsatzführung der Berliner Polizei unter der Leitung von Stephan Katte unter Beweis gestellt, dass sie bereit ist, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit buchstäblich mit Füßen zu treten.

Wie wir mit unserem Bericht klar zeigen, scheint es so gewesen zu sein, dass es nie die Absicht der Polizei war, die „Revolutionäre 1. Mai“- Demonstration an ihren Endpunkt auf dem Oranienplatz kommen zu lassen. Vieles spricht dafür, dass die Zerschlagung der Demonstration von langer Hand an den letzlich betroffenen Stellen geplant war. Zu den von uns geschilderten Ereignissen kommt hinzu, dass ca. drei Stunden bevor die Demonstration endgültig zerschlagen wurde, hochrangiges Personal den Ort des Angriffs auf die Spitze der Demonstration inspizierte (vgl. https://twitter.com/SpiedUpon/status/1388830209688883205). Außerdem erreichten uns Berichte, dass Menschen, die sich von der Demonstration entfernen wollten, nicht durch die Polizeisperren an den nächstgelegenen Brücken Richtung Kreuzberg gelassen wurden. Vieles spricht also dafür, dass es unbedingter Wille der Polizei war, dass die Demonstrierenden nicht nach Kreuzberg gelangten. Weshalb das Gebiet des ehemaligen MyFests trotzdem per Allgemeinverfügung in polizeilichen Ausnahmezustand versetzt wurde, bleibt uns unklar. Fest steht für uns aber, dass die Polizei an diesem Tag ein äußerst versammlungsfeindliches Bild an den Tag legte.

Wir wollen an dieser Stelle nochmal klar stellen, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ein hohes Gut ist, das vor allem die Möglichkeit zur Teilnahme an der politischen Debatte ermöglichen soll. Auch und vor allem auch für diejenigen, die nicht an parlamentarischen Debatten teilnehmen können oder wollen. Wenn diese Möglichkeit, wie am 1. Mai 2021 in Berlin geschehen, durch polizeiliche Maßnahmen unterbunden wird, ist dies eine erschreckende Entwicklung. Politische Partizipation bedeutet, Widersprüche zu formulieren, sichtbar zu machen und im öffentlichen Raum zu verhandeln. Diese Möglichkeit wurde von der Polizei unterbunden.

Damit trat die Polizei als eigenständige politische Akteurin in Erscheinung. Dies ist qua Gesetz, zu dessen Durchsetzung sie verpflichtet ist, explizit nicht ihre Aufgabe. Sie hat allein für die Einhaltung geltender Gesetzgebung zu sorgen. Dies hat sie an diesem Tag nicht gemacht. Stattdessen hat sie das Infektionsschutzgesetz und das neue Berliner Versammlungsgesetz als Legitimationsgrundlage für ihren unverhältnismäßigen und damit letzten Endes auch grundrechtswidrigen Einsatz verwendet, während sie sich gleichzeitig – wie gezeigt – mehrfach nicht an deren gesetzliche Vorgaben hielt.

Bericht zur Demonstration „Gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn“ am 27.03.21 um 12:00 Uhr vor dem Roten Rathaus

Am 27.03.2021 waren wir mit einem Team bei der Demonstration zum diesjährigen Housing Action Day ab ca. 11:50 Uhr vor dem Roten Rathaus präsent. An der Demonstration beteiligten sich auf der Route vom Alexanderplatz in Mitte bis zum Endpunkt auf dem Mariannenplatz in Kreuzberg mit Halt an mehreren Zwischenkundgebungen einige tausend Menschen. Aus Perspektive der Versammlungsfreiheit verlief der Aufzug leider nicht völlig reibungslos, wie wir im Folgenden dokumentieren.

Die gesamte Versammlung wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Im Kontext der Demonstrationen haben wir Einheiten der 13., 14., 22., 35. und 36. Einsatzhundertschaft beobachtet sowie Einheiten des 2. technischen Zuges. Während die Polizei in unmittelbarer Nähe der Demonstration mit nur wenigen uniformierten Beamt*innen an der Spitze und mit mit gelben Westen als „Kommunikationsteam“ gekennzeichneten uniformierten Beamt*innen präsent war, zeigte sich im weiteren Umfeld über die gesamte Route der Demonstration ein anderes Bild. Dort war die Polizei überall mit Einsatzfahrzeugen präsent, die Seitenstraßen in einiger Entfernung der Route teilweise mit quergestellten Einsatzfahrzeugen blockiert. Auch wenn Teilnehmer*innen der Demonstration nicht direkt von diesen Maßnahmen betroffen waren, erzeugten diese für Außenstehende doch ein abschreckendes Bild der Versammlung. Es ist davon auszugehen, dass massive Polizeipräsenz bei Passant*innen und Anwohner*innen das Bild einer Gefährdungslage suggeriert und dementsprechend ein Hinderungsgrund für die Teilnahme an der Demonstration sein könnte, die zu keinem Zeitpunkt während der Versammlung gegeben war. Außerdem hat der Eindruck entstehen können, dass der Zugang zur Versammlung nicht ungehindert möglich sei. Insofern war die massive Polizeipräsenz an diesem Tag unverhältnismäßig und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zumindest zum Teil eingeschränkt.

In der Auftaktkundgebung am Roten Rathaus waren drei mit gelben Westen gekennzeichnete Zivilbeamte des Berliner Staatsschutzes präsent. Versammlungen haben grundsätzlich staatsfern zu sein, weshalb Polizist*innen nur in Ausnahmefällen, z.B. im Kontext angenommener Straftaten, direkt in das Versammlungsgeschehen eingreifen dürfen. Die Beamten des Staatsschutzes verfolgten aber offensichtlich das Interesse, nach bestimmten Personen bzw. Personengruppen Ausschau zu halten. Dies rechtfertigt in keinster Weise ihre Präsenz auf der Auftaktkundgebung. Erschwerend kommt hinzu, dass die anlasslose und unverhältnismäßige Beobachtung einzelner Personen und Personengruppen durch Staatsschutzbeamte evtl. das Potential hat, diese und evtl. auch andere Versammlungsteilnehmende bei der Wahrnehmung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit einzuschränken oder sogar abzuhalten. Da wir ähnliches Gebaren des Berliner Staatsschutzes auch bei vielen anderen Versammlungen beobachteten, fordern wir den Berliner Staatsschutz auf, diese versammlungsfreiheitsfeindliche Praxis einzustellen und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aller Teilnehmenden zu respektieren!

Als der Demonstrationszug einen Zwischenkundgebungsort in der Oranienstraße in Kreuzberg auf Höhe der Alten Jakobstraße erreichte, vielen uns zwei ungekennzeichnete Beamte in Zivil auf einer sich im Kreuzungsbereich befindlichen Bank sitzend auf. Als der Demonstrationszug vollends zum Stehen kam, begaben sich die Beamten in unmittelbare Nähe des Demonstrationszuges. Wir haben die beiden Beamten darauf angesprochen, ob ihre Anwesenheit in der Demonstration der Versammlungsleitung bekanntgegeben worden sei (siehe §11 VersFG BE). Dies wurde uns gegenüber verneint mit dem Hinweis, es reiche, wenn wir sie als Polizisten erkennen. Als wir gegen diese Aussage protestierten, haben die beiden Beamten die Demonstration verlassen.

An dieser Stelle bleibt abschließend anzumerken, dass sich die Formulierung der Rechtslage mit dem seit dem 28.02.2021 in Kraft getretenen Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz im Bezug auf ungekennzeichnete Beamte in Demonstrationen deutlich verschlechtert hat. Mussten sich nach alter Rechtslage alle Polizist*innen in einer Versammlung als solche zu erkennen geben, liegt die Zuständigkeit der Erkennbarmachung der eingesetzten Zivilbeamten bei der Einsatzleitung. Das könnte dazu führen, dass es von polizeilicher Seite für zulässig erachtet werden könnte, ungekennzeichnete Polizist*innen in der Versammlung einzusetzen. Dies würde dem Grundsatz, dass Versammlungen staatsfern stattzufinden haben, zuwiderlaufen und damit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit grundsätzlich einschränken. Um langwierige gerichtliche Klärung dieser schwammigen Formulierung zu vermeiden, fordern wir den Gesetzgeber auf, unverzüglich nachzubessern und klar und deutlich gesetzlich zu verankern, dass sich alle in einer Demonstration eingesetzten Beamten unverzüglich und zu jeder Zeit als solche zu erkennen geben müssen.

­Bericht der Kritischen Demobeobachtung Berlin zu den Protesten gegen die Räumung der Meuterei vom 23.03.21 bis 25.03.21

Im Kontext der für den 25.03.21 angekündigten Räumung der Kiezkneipe Meuterei fanden mehrere Versammlungen statt, die wir mit mehreren Teams begleiteten, um die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit durch die Polizei zu beobachten. Wir waren bei der Demonstration unter dem Motto „Wir sind unregierbar – Meuterei und Rigaer 94 verteidigen!“ am 23.03.21 abends, bei den verschiedenen für den Räumungstermin angekündigten Versammlungen am 25.03.21 morgens und der für den Abend des gleichen Tages angekündigten TagX-Demonstration anwesend.

Insgesamt haben wir bei den einzelnen Protestversammlungen teils eklatante Verstöße der Polizei gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Versammlungsteilnehmenden und vereinzelt auch Situationen beobachtet, die den Anfangsverdacht strafrechtlich relevanter Verstöße durch einzelne Beamte begründen. Besonders möchten wir auch hervorheben, dass es immer wieder zu Einschüchterungsversuchen und sogar Übergriffen der Polizei gegenüber Pressevertreter*innen kam. Außerdem lässt die Umsetzung des am 28.02.21 in Kraft getretenen Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin (VersFG BE) durch die Polizei zu wünschen übrig.

Wir berichten von den von uns beobachteten Ereignissen nachfolgend in chronologischer Reihenfolge.


Wir sind unregierbar – Meuterei und Rigaer 94 verteidigen! – 23.03.21, 18:00 Uhr

Am 23.03.2021 fand ab 18:00 Uhr die Demonstration „Wir sind unregierbar – Meuterei und Rigaer 94 verteidigen !“ statt. Wir waren ab 17:00 Uhr am Startpunkt der Demonstration vor der Kiezkneipe „Meuterei“ in der Reichenberger Str. 58 mit einem Team anwesend. Im Folgenden berichten wir über unsere Beobachtungen von teilweise eklatanten Verstößen der Polizei gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Pressefreiheit und andere strafrechtlich relevante Verstöße.

Bereits ab 17:00 Uhrtwar die Polizei mit einem Großaufgebot großräumig um den Startpunkt der Demonstration präsent. Unmittelbar vor der „Meuterei“ und entlang weiter Teile der Reichenberger Str. waren Einsatzfahrzeuge der Polizei geparkt, an den Kreuzungsbereichen Lausitzer Str. / Reichenberger Str. und Ohlauer Str./ Reichenberger Str. waren beidseitig Einsatzgruppen der Polizei postiert. Insgesamt ergab sich damit ein abschreckendes Bild für die Demonstrierenden und es ist nicht auszuschließen, dass durch das martialische Aufgebot der Polizei Menschen an der Wahrnehmung ihres Rechts auf Versammlungsfreiheit abgeschreckt wurden. Damit handelte die Polizei ihrer Aufgabe, Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, zuwider und schränkte durch die massive Präsenz das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit massiv ein.

Trotz der massiven Polizeipräsenz setzte sich der Aufzug um 18:41 Uhr mit unserer Schätzung 300-400 Teilnehmenden in Bewegung. Die Demonstration ist in ihrem Verlauf auf bis zu 2000 Teilnehmende in der Spitze angewachsen. Die Demonstration wurde von Anfang an bis zu ihrem Ende am Frankfurter Tor beidseitig und über den gesamten Demonstrationszug mit einem engen Spalier begleitet. Um diese enge Begleitung durchzusetzen, setzte die Polizei auch mehrfach sogenannte einfache körperliche Gewalt ein. Dies bereits zu Anfang an der Kreuzung Reichenberger Str. / Lausitzer Str., als der Demonstrationszug ohne ersichtlichen Grund und absolut unverhältnismäßig kurzzeitig aufgestoppt wurde. Über die gesamte Demonstration hinweg haben wir mehrfach beobachtet, wie einzelne Polizist*innen einzelne Demonstrationsteilnehmende durch Schubsen oder Schläge traktierten. Vor allem als die Demonstration Friedrichshain erreichte, haben wir solche Übergriffe vermehrt beobachtet, z.B um ca. 19:15 Uhr in der Simon-Dach-Str. durch Beamte der 23. Einsatzhundertschaft (EHU).

Die enge Begleitung der Demonstration war absolut unverhältnismäßig. Es gab keinen ersichtlichen Grund für diese Maßnahme. Als wir die Einsatzleiterin für diese Demonstration nach dem Grund dafür fragten, wurde uns als Antwort gegeben, es habe polizeikritische Sprechchöre aus der Demonstration gegeben. Diese Aussage bestätigt die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme. Versammlungsfreiheit und auch das Recht auf freie Meinungsäußerung sind hohe Rechtsgüter. Kritik an der Polizei ist Teil der freien Meinungsäußerung und die Begründung der Einsatzleitung zu den Maßnahmen unzulässig. Aufgabe der Polizei ist es, die ungehinderte Ausübung dieser zu gewährleisten. Mit der engen Begleitung wurde die Außenwirkung der Demonstration stark beeinträchtigt, freie Meinungsäußerung als Teilhabe an der politischen Diskussion verunmöglicht. Zudem war durch das oben beschriebene Verhalten einzelner Polizist*innen und Polizeieinheiten die körperliche Unversehrtheit von Demonstrierenden nicht gewährleistet.

Neben diesen Grundrechtsverstößen hat die Polizei an diesem Tag auch gegen das Deeskalationsgebot des seit 28.02.21 geltenden Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz verstoßen. Demnach sollen „drohende oder bestehende Konfrontationen“ (§ 3 Absatz 4 VersFG BE) zielgruppenorientiert verhindert oder abgeschwächt werden. Abgesehen davon, dass von uns keine drohenden oder bestehenden Konfrontationen im gesamten Demonstrationsverlauf außer bezüglich eskalativem Gebahren der Polizei beobachtet werden konnten, ist eine enge Begleitung des gesamten Demonstrationszuges nicht zielgruppenorientiert, sondern stellt alle Teilnehmenden unter Generalverdacht und widerspricht damit eklatant den Normen des Versammlungsfreiheitsgesetzes. Dazu kommt, dass es den Teilnehmenden durch die enge Begleitung der Polizei nicht möglich war, die zu Zeiten der Corona-Pandemie nötigen Mindestabstände einzuhalten. Auch nach den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes war der Polizeieinsatz an diesem Tag unverantwortlich.

Einen weiteren Verstoß gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz stellte die dauerhafte, anlassunabhängige Anfertigung von Filmaufnahmen dar. Spätestens als die Demonstration die Skalitzer Str. erreichte, wurde die gesamte Demonstration aus einem vorwegfahrenden Kamerawagen der Polizei abgefilmt. Diese Praxis darf nur noch bei erheblicher Gefahr für die öffentliche Sicherheit angewendet werden. Diese bestand zu keinem Zeitpunkt. Polizeikritische Sprechchöre würden in in keinster Weise aus zur Begründung dieser Maßnahme ausreichen. Vielmehr müsste eine Gefährdung von gewichtigen Rechtsgütern wie Gesundheit oder Eigentum durch die Versammlungsteilnehmenden vorliegen. Diese gab es nicht und wenn das Rechtsgut Gesundheit gefährdet war, dann nur durch den unverantwortlichen Einsatz der Polizei. Deshalb sind, sollten Filmaufnahmen gespeichert worden sein, diese unverzüglich zu löschen.

Die Demonstration wurde am Frankfurter Tor vorzeitig beendet. Darauf reagierte die Polizei, indem sie einen Teil des Demonstrationszuges einkesselte. Auch dies stellt einen eklatanten Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit dar. Darin ist auch das ungehinderte Verlassen der Demonstration geregelt. Mit der Maßnahme hat die Polizei dagegen verstoßen und zudem nochmals die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der Teilnehmend unverhältnismäßig gefährdet. Auch wurden die Teilnehmenden nicht über den Grund der Maßnahme informiert. Erst einige Minuten später wurde den Teilnehmenden mitgeteilt, dass die Versammlung beendet sei und sie den Kessel in kleinen Gruppen verlassen könnten.

Im Zuge dieser Maßnahme ging die Polizei mit unverhältnismäßiger Härte gegen Umstehende vor. Personen wurden zu Boden geschubst und teilweise mit Schlägen traktiert. Es gab auch mehrere Ingewahrsamnahmen, die teilweise mit ebenfalls unverhältnismäßigen Einsatz sogenannter einfacher körperlicher Gewalt durchgeführt wurden. Dabei wurden Verletzungen billigend in Kauf genommen. Besonders eklatant war die Ingewahrsamnahme eines Journalisten mit gültigem Presseausweis. Im Zuge seiner Ingewahrsamnahme wurde auch sein Equipment stark beschädigt, wenn nicht sogar zerstört. Über Twitter sind auch andere Einschüchterungsversuche gegen Pressevertreter*innen dokumentiert. Insgesamt bestätigt sich dadurch unser Eindruck, dass es das Anliegen der Polizei an diesem Tag war, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung eklatant einzuschränken, sogar soweit, dass sie versuchte, die Berichterstattung der Presse zu behindern und in einem Fall sogar zu verunmöglichen.

Nach dem Ende der Demonstration beobachteten wir noch die Maßnahmen bezüglich der Personen, die seitens der Polizei in Gewahrsam genommen wurden. Auch hier kam es zu eklatanten Verstößen. Bei einer Person, die offensichtlich medizinische Betreuung brauchte, wurde diese durch Beamte der 14. EHU verweigert. Auch nach Hinweis von unserer Seite. Erst nach vehementen Forderungen durch anwesende Sanitäter*innen konnte die betroffene Person nach über 30 Minuten medizinisch versorgt werden. Unserer Einschätzung nach erfüllt dies den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung im Amt. Außerdem wurde, als die Sanitäter*innen Zugang zur betroffenen Person forderten, von den Sanitäter*innen, von uns und anderen noch anwesenden Unterstüzer*innen Portraitaufnahmen mit Hilfe einer Fotokamera gemacht. Für diese Maßnahme gibt es keine Begründung und dienten wohl nur zur Einschüchterung gegen diejenigen, die geltendes Recht einforderten. Diese Aufnahmen sind umgehend zu löschen.

Zusammengefasst haben wir an diesem Tag beobachtet, dass die Polizei willkürlich gegen mehrere Grundrechtsnormen verstoßen hat. Außerdem wurde die Pressefreiheit stark eingeschränkt und es besteht von unserer Seite zumindest der Anfangsverdacht, dass einzelne Beamte an diesem Tag strafrechtlich relevant in Erscheinung getreten sind. Wir fordern, diese lückenlos aufzuklären und die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen!

Räumung der Meuterei – 25.03.21, morgens

Die Räumung der Kiezkneipe Meuterei war für den Morgen des 25.03.21 um 08:00 Uhr angekündigt. Wir waren ab 06:00 Uhr in der Gegend um die Reichenberger Str. präsent, um das Versammlungsgeschehen zu beobachten. Für diesen Zeitpunkt waren mehrere Versammlungen angekündigt: eine Kundgebung in der Reichenberger Str. / Lausitzer Str. und diverse Demonstrationen aus Neukölln, Mitte und Schöneberg in die Reichenberger Str. Im Laufe des Vormittags gab es auch Spontanversammlungen.

Ähnlich wie bereits am Dienstag, den 23.03.21, war die Polizeipräsenz in der Gegend um die Reichenberger Str. massiv. Außerdem galt seit Mittwoch, 24.03.21 in Teilen der Reichenberger Str. und dem nördlichen Teil der Lausitzer Str. ein durch die Polizei per Allgemeinverfügung bestimmter Bereich, in dem Versammlungen untersagt und das betreten nur mit zwingenden Grund oder der direkten Anwohnerschaft in dem Bereich möglich war. Der Bereich war mit Absperrgittern (ASG) gesichert, Anwohner*innen konnten den Bereich nur mit gültigen Ausweisdokumenten betreten. Mit der massiven Polizeipräsenz im Kiez und der faktischen Absperrung des Gebiets um die Meuterei erweckte die Polizei den Eindruck einer besonderen Gefährdungslage. Gleichzeitig wurde aber die Bewegungsfreiheit der Anwohner*innen eingeschränkt und ein abschreckendes Bild erzeugt, um Menschen an der Teilnahme an den Versammlungen zu hindern. Die Polizei rechtfertigte dies, indem sie sagte, diese Maßnahmen seien im Zuge der Amtshilfe notwendig. Aber in Abwägung der Grundrechtsgüter der Bewegungsfreiheit der Anwohner*innen und der Versammlungsfreiheit sind sowohl die Begründung als auch die massive Polizeipräsenz an diesem Tag unverhältnismäßig. Die individuellen Freiheitsrechte der Anwohner*innen sowie die Versammlungsfreiheit als Gewährleistung des Ausdrucks des Protests und der Partizipation im politischen Diskurs wiegen schwerer als sogenannte Amtshilfe für die Interessen eines Einzelnen.

Neben dieser allgemeinen Kritik am Polizeieinsatz für diesen Tag, dokumentieren wir im Folgenden einzelne Verstöße der Polizei, die wir im Zuge der Räumung beobachteten:

– Ab 6:40 Uhr waren wir am Kottbusser Tor / Reichenberger Str. Dort wurden mehrere Personen einer polizeilichen Maßnahme unterzogen, die Personalienfeststellung und Körperdurchsuchung mit einschlossen. Nach der Prozedur konnten einzelne Personen mit mündlichem Platzverweis die Maßnahme verlassen, die meisten wurden über sehr lange Zeit in offenem Gewahrsam behalten. Zur Begründung der Maßnahme wurde den Personen unterschiedliche Angaben seitens der Polizei gemacht. Ihnen wurde gesagt, die Maßnahmen würden wegen Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz durchgeführt. Andere Angaben waren – wie auch bei den Personen, die einen mündlichen Platzverweis erhielten -, dass die Maßnahmen aufgrund des sog. „Gefahrengebiets“ Kottbusser Tor durchgeführt wurden. Im Nachhinein war in der Presse zu lesen, dass die Maßnahmen aufgrund eines angeblichen Blockadeversuchs am Kottbusser Tor durchgeführt wurden. Die Polizei hat eine Auskunftspflicht über die Begründung ihrer Maßnahmen gegenüber den betroffenen Personen. Dieser ist sie in diesem Fall offensichtlich nicht nachgekommen. Wenn die in der Presse kolportierte Begründung zutrifft, hat die Polizei falsche Angaben gegenüber den Personen gemacht. Oder wenn die den betroffenen Personen genannten Begründungen zutreffen, waren die getroffenen Maßnahmen willkürlich und ein eklatanter Verstoß gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Aufgrund dessen, dass die Maßnahme am Anfang der Reichenberger Str. stattfand, ist nicht auszuschließen, dass die Personen auf dem Weg zu einer der angemeldeten Versammlungen waren. Der Weg zu Versammlungen ist grundrechtlich geschützt, Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut. Den Weg zur Versammlung mit schwammigen Begründungen wie Infektionsschutzgesetz und Gefahrengebiet zu verwehren, ist nicht zulässig. Im Verlauf der Maßnahme, die sich wie geschrieben über einen langen Zeitraum erstreckte, konnten wir nicht beobachten, dass die Polizei ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den von den Maßnahmen betroffenen Personen nachkam. Wir konnten nicht feststellen, dass die Möglichkeit zum Toilettengang oder die Versorgung zumindest mit Wasser gewährleistet war. Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, dass die Polizei dies verweigerte, hätte dies einen weiteren eklatanten Verstoß der Polizei dargestellt, nicht zuletzt gegen die Menschenwürde.

– Als gegen 07:00 Uhr die Demonstration aus Neukölln am Kottbusser Tor eintraf, haben wir beobachtet, wie ein Beamter der 22. EHU die Demonstration komplett abfilmte. Dies ist nach dem VersFG BE unzulässig. Zur Begründung dessen siehe unsere Ausführung zum Thema oben im Bericht zur Demonstration vom 23.03.21.

– Um 07:23 filmte ein TV-Übertragungswagen der Polizei mit dem amtlichen Kennzeichen B-7211 eine Kundgebung, die in der Reichenberger Str. auf Höhe der Sparkasse stattfand. Diese war die Abschlusskundgebung der Fahrraddemonstration aus Schöneberg. Auch dies war nach dem VersFG BE unzulässig.

– Bei einer Kundgebung, die Reichenberger Str / Manteuffelstr. stattfand, wurde nach der Räumung eine Spontandemonstration angemeldet. Zunächst verweigerte die Polizei die Anmeldung mit der Begründung, dass sie keine Kapazitäten für die Verkehrssicherung habe. Angesichts des massiven Polizeiaufgebots im Kiez war diese Begründung hanebüchen und wurde auch nach kurzer Zeit durch die Polizei zurückgezogen und die Demonstration konnte stattfinden. Dennoch zeigt diese Ausnahme eine versammlungsfeindliche Einstellung der Polizei. Versammlungsfreiheit ist durch die Polizei zu gewährleisten und nur in Ausnahmefällen kann die Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden. Diese waren zu keinem Zeitpunkt gegeben, weshalb die anfängliche Weigerung der Polizei einen eklatanten Grundrechtsbruch darstellt.
In diesem Kontext ist auch zu erwähnen, dass sich zu diesem Zeitpunkt immer mehr Personen an der Kundgebung im Kreuzungsbereich einfanden, die sich mangels Platz auch auf der Fahrbahn sammelten. Die Polizei drängte die Personen teils rabiat auf den Gehsteig, um den Autoverkehr weiterhin zu ermöglichen. Besonders zu Zeiten der Corona-Pandemie ist es notwendig, genügend Raum für Kundgebungen zur Verfügung zu stellen. Auch unabhängig davon ist die Versammlungsfreiheit ein höheres Rechtsgut als die Straßenverkehrsordnung. Die Polizei hätte den fließenden Verkehr stoppen müssen, denn zu dem Zeitpunkt nahmen über 50 Personen an der Versammlung teil. Mit dieser Unterlassung gefährdete die Polizei die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmenden.

TagX-Demonstration – 25.03.21, 19:00 Uhr, Mauerpark

Ab 19:00 Uhr war eine Demonstration als Protest gegen die Räumung der Kiezkneipe Meuterei ab Mauerpark / Eberswalder Str. angekündigt. Rund um den Startpunkt der angemeldeten Demonstration zeichnete sich schon vor dem offiziellen Beginn ein ähnliches Bild, wie wir es schon von dem anderen Protestveranstaltungen im Zuge der Räumung beobachteten. Massives Polizeiaufgebot, das ein abschreckendes Bild vermittelte und so massiv in die Versammlungsfreiheit eingriff. Wir waren ab ca. 18:45 Uhr vor Ort und dokumentieren im Folgenden unsere Beobachtungen.

Auf dem Weg zur Demonstration mussten wir feststellen, dass zumindest aus Richtung Eberswalder Str und Kastanienallee kommend, kein ungehinderter Zugang zur Demonstration möglich war. Die Polizei stand in Gruppen und teilweise in Ketten auf den Gehwegen der zum Startpunkt führenden Straßen und führte nach eigenen Aussagen „stichprobenartige“ Kontrollen von Einzelpersonen und Personengruppen durch. Am Kontrollpunkt in der Oderberger Str. konnten wir dieses Vorgehen des öfteren beobachten. Auf Nachfrage unsererseits, mit welcher Begründung die Vorkontrollen stattfänden, vor allem weil nach dem VersFG BE das alleinige Mitführen von z.B. sog. Vermummungsgegegenstände nicht mehr strafbewährt ist, solange keine explizite und ausführliche Anordnung der Polizei erfolgt. Die Maßnahme wurde uns gegenüber von Beamten der Bundespolizei damit begründet, dass sie überprüfen würden, dass keine „illegalen“ Gegenstände wie z.B. Pyrotechnik mitgeführt würden. Zum derzeitigen Zeitpunkt ist uns unklar, ob diese Begründung nach dem VersFG BE statthaft ist. Dazu ist das neue Gesetz zu unklar formuliert und muss wohl durch Gerichtsentscheidungen präzisiert werden. Außer der Gesetzgeber bessert in diesem Punkt nach und erklärt Vorkontrollen grundsätzlich als unzulässig. Dies wäre die geeignete Maßnahme, um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, denn Vorkontrollen haben immer abschreckende Wirkung und hindern an der Teilnahme an Versammlungen.

Um 19:03 haben wir ebenfalls auf der Oderberger Str. eine weitere Vorkontrolle einer Personengruppe durch Beamte der Bundespolizei beobachtet. Während die Beamten auf dem Gehsteig standen, wurden die Personen mitten auf der Fahrbahn angehalten, die zu diesem Zeitpunkt stark befahren war, was die kontrollierten Personen in ihrer körperlichen Unversehrtheit gefährdete. Wir wiesen die Beamten darauf hin und baten sie, wenn sie die Kontrolle schon nicht unterlassen wollen, die Maßnahme zumindest zum Schutz der kontrollierten Personen auf den Gehweg zu verlegen. Während ein Teil der kontrollierenden Beamten mit dem Hinweis, dass unser Einwand gerechtfertigt sei, die Kontrolle auf den Gehweg verlegten, führten andere Beamte ihre Maßnahme weiterhin unter Gefährdung der betroffenen Personen fort. Zudem wurde uns von diesen Beamten mit der Erteilung eines Platzverweises gedroht. Wir kritisieren dieses Fehlverhalten der Beamten aufs Schärfste. Zum einen haben die Beamten auch für die Sicherheit der von ihren Maßnahmen betroffenen Personen zu sorgen, zum anderen ist die neutrale Beobachtung von polizeilichen Maßnahmen legitim und auch durch Gerichtsentscheidungen rechtlich abgesichert. Die versuchte Einschüchterung von neutralen Beobachter*innen ist deshalb nicht hinnehmbar. An dieser Stelle noch der Hinweis, dass wir an dieser Stelle nicht dienstrechtlich gegen die betreffenden Beamten vorgehen. Der Grund dafür ist, dass es sich bei den Beamten um Beamte der Bundespolizei handelte. Diese unterliegen nicht der individuellen Kennzeichnungspflicht wie die Berliner Polizist*innen. Wie uns diese Situation wieder klar vor Augen geführt hat, ist eine allgemeine Kennzeichnungspflicht für alle Polizeibeamt*innen mehr als notwendig.

Am Startpunkt der Demonstration waren kurz nach 19:00 Uhr bereits mehrere hundert Personen versammelt. Um 19:11 Uhr fielen uns in der Nähe des Lautsprecherwagens mitten in der Demonstration 5 bekannte Beamte in Zivil auf, die nicht als solche gekennzeichnet waren. Erst auf Ansprache unsererseits haben sie sich als Polizistinnen gekennzeichnet. Auch danach sind uns diese Beamten immer wieder dadurch aufgefallen, dass sie sich durch die Kundgebung bewegt haben. Demonstrationen haben aber grundsätzlich staatsfern zu sein. Das heißt zum einen, dass sich Beamte in Zivil zumindest der anmeldenden Person gegenüber zu erkennen geben müssen und auf der Demonstration selbst Polizist*innen außer im Kontext von Straftaten nicht präsent sein dürfen. Beides war nicht der Fall.

Als sich die Demonstration gegen 18:40 in Bewegung setzte, wurde die komplette Demonstration zum Teil dreireihig von Polizist*innen umschlossen. Dies war absolut unverhältnismäßig. Zur Begründung dessen siehe den Bericht zur Demonstration vom 23.03.21 oben. Außerdem stoppte die Polizei den Demonstrationszug mehrfach auf. Auch das ist unverhältnismäßig. An der Demonstration nahmen bis zu 2000 Personen teil. Sollte die Polizei diese Maßnahme ergriffen haben, um Straftaten aufzuklären, ist dies das ungeeignete Mittel. Strafverfolgung ist zwar Aufgabe der Polizei, Versammlungsfreiheit als Grundrecht wiegt aber höher als Strafrecht. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aller Teilnehmenden aufgrund der Ermittlung wegen eventueller einzelner Straftaten einzuschränken ist unverhältnismäßig.

Auf Höhe des Rosenthaler Platzes haben wir beobachtet, wie mehrere Polizeieinheiten das Ende der Demonstration bedrängten, in dem sie in großer Zahl und schnellen Schrittes die am Ende laufenden Teilnehmenden dazu zwangen, ebenfalls ihr Tempo zu erhöhen und damit sozusagen die Demonstration „zusammenschoben“. Mit dieser Maßnahme wurde die Demonstration auch vollends eingekesselt. Auch diese Maßnahme war unverhältnismäßig. Es gibt keinerlei Vorgaben darüber, wie und wie schnell sich Demonstrierende zu bewegen haben. Außerdem erweckte sie den Eindruck, dass es nicht mehr möglich sei, die Demonstration zu verlassen. Insofern diente diese Maßnahme der bloßen Einschüchterung und verstieß eklatant gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, vor allem auch, weil das Verlassen von Demonstrationen jederzeit möglich sein muss und grundrechtlich gewährt ist.

Die Demonstration wurde gegen 21:00 Uhr vorzeitig beendet. Darauf reagierte die Polizei ähnlich wie bei der Demonstration am 23.03.21, indem sie die vom Endpunkt wegführenden Straßen mit Polizeiketten blockierte und so das Verlassen der Demonstration verunmöglichte. Erst einige Minuten nach Beendigung der Demonstration erfolgte die Durchsage der Polizei, dass das Verlassen der Demonstration einzeln oder in kleinen Gruppen Richtung Torstraße möglich sei. Wir kritisieren diese Praxis, die wir auch in der letzten Zeit häufig zum Ende von Demonstrationen beobachtet haben. Der Zu- und Abgang zu Demonstrationen ist grundrechtlich geschützt und damit ungehindert zu gewährleisten. Sollte die Polizei damit die Absicht verfolgen, anschließende Spontanversammlungen verhindern zu wollen, handelt sie grundrechtswidrig. Denn auch anschließende Spontanversammlungen sind grundrechtlich geschützt. Nach dem VersG BE ist für Versammlungen auch nicht unbedingt eine Demonstrationsleitung zu benennen. Es gibt also keinerlei Legitimation für diese Praxis. Erschwerend kommt für das Ende der TagX-Demonstration noch hinzu, dass die Polizei die Gelegenheit nutzte, um umfassende Videoaufnahmen von den anwesenden Demonstrierenden anzufertigen.

Unser Fazit

Vor allem in Hinblick auf das neue Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz hat die Berliner Polizei gezeigt, dass sie für dessen adäquaten Umsetzung noch erheblichen Nachholbedarf hat. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut und wir erwarten, dass die Polizei ihrer Aufgabe nachkommt, dies zu gewährleisten.

LL-Demo am 10.01.2021

Die Kritische Demobeobachtung Berlin (KDB) war mit einem Team bei der jährlichen Gedenkdemo für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor Ort. Im folgenden fassen wir zunächst in einem kurzen Bericht unsere Beobachtungen zusammen, abschließend bewerten wir die Ereignisse in einem Statement.

Bericht

Wir waren ab 09:55 Uhr am Startpunkt der Demonstration und mit pinken Westen mit der Aufschrift „Observer“ deutlich als Beobachter*innen gekennzeichnet. Zum offiziellen Beginn der Versammlung um 10:00 Uhr waren ca. 400 Menschen am Startpunkt versammelt, die alle durchgängig Mund-Nase-Schutz trugen und ausreichend Abstand zueinander hielten.

Um 10:09 Uhr stürmten mehrere Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) der 23. und 33. Einsatzhundertschaft (Ehu) der Berliner Bereitschaftspolizei ohne Vorwarnung und ohne für uns ersichtlichen Grund unter massiver Gewaltanwendung in die Demonstration und zogen mehrere Personen aus der Menge. Die in Gewahrsam genommenen wurden teils unter Anwendung von sogenannten Schmerzgriffen an Handgelenken und im Gesicht aus der Menge gezogen und zu Gefangenentransportern am Frankfurter Tor Ecke Petersburger Straße verbracht. Einzelne Personen wurden davor noch von einzelnen Polizeibeamtinnen am Boden liegend mit Tritten und Schlägen misshandelt, bei einer Festnahme haben wir beobachtet, wie sich ein Beamter der 33. Ehu zur Fixierung auf den Kopf eines am Boden liegenden setzte. Insgesamt wurde die Demonstration mehrfach von der Polizei angegriffen, teilweise mit Schlagstockeinsatz und massivem Einsatz von Pfefferspray. Dabei wurden immer wieder Personen aus der Menge gezogen. Insgesamt haben wir am Frankfurter Tor mindestens 24 Ingewahrsamnahmen gezählt. Viele der Betroffenen hatten dabei Platzwunden am Kopf und im Gesicht. Zudem mussten sehr viele Demonstrierende von anwesenden Demosanitäterinnen versorgt werden.

Erst ab 10:24 Uhr erfolgten Durchsagen vom Lautsprecherwagen der Polizei, mit der Aufforderung, dass die Demonstration erst loslaufen könne, wenn alle Embleme der angeblich verbotenen FDJ (Freie Deutsche Jugend) aus der Demonstration entfernt wären. Später wurde die Durchsage noch ergänzt, mit der Aufforderung, dass die Demonstrierenden die Abstände einhalten sollten.

Der Demonstrationszug konnte sich erst gegen 11:00 Uhr in Bewegung setzten. Um 11:49 Uhr haben wir beobachtet, wie Beamte der 23. Ehu den gesamten Demonstrationszug, vor allem den sog. Internationalistischen Block auf Höhe des U/S-Bhf. Frankfurter Allee vor dem Ringcenter anlasslos abfilmte.

Als die Demonstration an ihrem Endkundgebungsort ankam, haben wir unsere Beobachtung beendet.

Statement

Wir sind schockiert über die Ereignisse währende der LL-Demo, vor allem über die massive Polizeigewalt am Frankfurter Tor. Die Polizei hat an diesem Tag nicht nur schwerste Verletzungen bei den Versammlungsteilnehmer*innen billigend in Kauf genommen, sondern auch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit buchstäblich mit Füßen getreten.

Anders als die Polizei in ihrer Pressemitteilung vom 11.01.2021 verlautbart, war es unserer Wahrnehmung nach für die Teilnehmer*innen der Demonstration zu Beginn nicht erkenntlich, weshalb die Demonstration nicht loslaufen kann. Es wurde nicht die Möglichkeit eingeräumt, die Embleme der FDJ ggf. zu entfernen. Dass die Aussage, bei der FDJ handele es sich um eine verfassungswidrige Organisation, bestenfalls juristisch umstritten ist (vgl. z. B. https://www.maz-online.de/Brandenburg/Tragen-von-FDJ-Hemden-bleibt-straffrei), zeigt, dass die Übergriffe der Polizei auf die Demonstration – anders können wir sie nicht bezeichnen – politisch motiviert waren.

Es war absolut unverhältnismäßig, die körperliche Unversehrtheit vieler Versammlungsteilnehmerinnen durch massiven Einsatz von körperlicher Gewalt, Reizgas und Schlagstöcken zu gefährden. Durch den Einsatz der Polizei war es den Teilnehmenden zudem unmöglich, Infektionsschutzmaßnahmen einzuhalten. Die Aufforderungen durch den Lautsprecherwagen der Polizei, Abstände einzuhalten, wenn die Möglichkeit durch Polizeiketten nicht gegeben ist, ist zynisch. Dazu kommt noch, dass einzelne Beamtinnen während der Maßnahmen keine oder unter der Nase sitzende Mund-Nase-Bedeckung getragen haben. Dies setzte die Teilnehmenden einem erhöhten Ansteckungsrisiko aus, stellt klare Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz dar und verletzt die Vorbildfunktion der Polizei. Insofern war das Agieren der Polizei unverantwortlich.

Die Polizei hat auch während einer Pandemie die Aufgabe, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. Unverhältnismäßige und von Polizeigewalt geprägte Einsätze wie an diesem Sonntag am Frankfurter Tor zeigen ein gegenteiliges Bild. Einigen wurde auf umstrittener juristischer Grundlage ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit beraubt, viele konnten aufgrund erlittener Verletzungen ihr Demonstrationsrecht nicht mehr wahrnehmen. Unserer Wahrnehmung nach war das ein wesentlicher Aspekt bei der Massivität des Polizeieinsatzes: die Grundlegende Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit.

Kritische Demobeobachtung Berlin